In einem richtungsweisenden Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11.09.2013 -BVerwG 6 C 25.12) sowie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, 10.01.2017 – 29086/12) entschieden, dass eine muslimische Schülerin nicht grundsätzlich von der Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht befreit werden muss, auch wenn religiöse Bekleidungsvorschriften entgegenstehen. Die Richter stellten klar, dass das Grundrecht auf Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) mit dem staatlichen Bildungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG) im Einklang gebracht werden muss.

Laut dem Urteil wäre der Schülerin die Teilnahme am Schwimmunterricht in einem Burkini, der muslimische Bekleidungsvorschriften berücksichtigt, zumutbar gewesen. Hier greift der Grundsatz der praktischen Konkordanz, der eine schonende Abwägung zwischen den Grundrechten verlangt. Zwar darf die Glaubensfreiheit nicht grundsätzlich missachtet werden, jedoch müssen religiöse Pflichten in bestimmten Fällen der staatlichen Schulpflicht weichen. Der Staat ist verantwortlich, eine pluralistische Gesellschaft zu fördern, in der Schüler unterschiedlicher Glaubensrichtungen soziale Kompetenz und Toleranz erlernen.

„Art. 4 GG vermittelt keinen umfassenden Konfrontationsschutz“, so das Urteil. Dies bedeutet, dass die Schülerin auch den Anblick männlicher Mitschüler im Schwimmunterricht akzeptieren muss, da dies Teil der Erziehung zu sozialer Toleranz und Geschlechtergleichheit sei. Zudem betonten die Richter, dass kein milderes Mittel als die Teilnahme am Unterricht geeignet sei, die Integrationsziele der Schule zu erreichen.

Diese Entscheidung verdeutlicht die wichtige Rolle der Schule als Ort der Begegnung und des Austauschs zwischen verschiedenen Weltanschauungen. Sie zeigt, dass individuelle Glaubensüberzeugungen nicht uneingeschränkt Vorrang haben und dass der staatliche Bildungsauftrag der Integration Vorrang genießen kann.

„Die Schule ist kein Ort des Rückzugs, sondern der Begegnung mit der pluralistischen Gesellschaft“, fasst das Urteil treffend zusammen. Es ist die Aufgabe des Staates, Schüler auf das Leben in einer vielfältigen Gesellschaft vorzubereiten, und hierzu gehört auch die aktive Teilnahme am Unterricht.